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„Wir bleiben für Euch hier – bleibt Ihr bitte für uns zu Hause!“
Liebe Gemeinde, liebe Leserinnen und Leser, bestimmt haben Sie solche Fotos schon gesehen:
Menschen vom Klinikpersonal mit Schutzanzügen und Mundschutz halten Zettel mit dieser Aufschrift in die Kamera. Die einen versorgen die Kranken unter Einsatz ihres Lebens und bitten die andern, Abstand zu halten. Die einen bleiben nah, die andern bleiben fern. Und beide dienen dem Leben.
Um Nähe und Distanz geht es auch im Predigttext für den heutigen Sonntag Judika aus Hebräer 13, 12-14:
„Jesus hat, damit er das Volk heilige durch sein eigenes Blut,
gelitten draußen vor dem Tor,
So lasst uns nun zu ihm hinausgehen vor das Lager
und seine Schmach tragen.
Denn wir haben hier keine bleibende Stadt,
sondern die zukünftige suchen wir.“
Wie ein Opfertier, das außerhalb des Lagers verbrannt wurde, und dessen Blut zur Sühne für das Volk hineingetragen wurde in den Tempel zum Altar, so starb Christus draußen vor der Stadt auf dem Hügel Golgatha am Schandholz des Kreuzes, damit er uns mit Gott versöhnte. Er selber erlitt die äußerste Gottverlassenheit und schrie verzweifelt: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“, damit er uns in die Nähe Gottes brachte und wir uns in keiner Not mehr von Gott verlassen wähnen müssen.
Liebe Gemeinde, liebe Leserinnen und Leser!
Zurzeit leiden viele Menschen unter der Trennung von anderen und fühlen sich womöglich verlassen von Gott und Mensch. Besonders hart trifft es alleinlebende, alte und kranke Menschen, die zur Risikogruppe gehören und nicht besucht werden dürfen. Menschen in Pflegeheimen oder Kliniken, die so schwach sind, dass sie nicht mehr telefonieren können, sind oft richtig isoliert. Und ganz besonders bitter ist es, wenn Menschen sich nicht mehr von ihren an Corona erkrankten Angehörigen verabschieden dürfen, weder am Sterbebett noch am Totenlager.
Bei all dieser schmerzlichen Trennung und Isolation gibt es zurzeit aber auch unglaublich viele schöne und berührende Zeichen der Solidarität und herzlichen Verbundenheit: Menschen nutzen die unterschiedlichsten Medien, um Kontakt aufzunehmen mit denen, die einsam sind. Jugendliche und Erwachsene kaufen ein für diejenigen, die ihre Wohnungen nicht verlassen sollen. (Angebote hierfür finden Sie im Ditzinger Anzeiger bei der katholischen Kirchengemeinde und der Evangelischen Allianz.) Musisch Begabte singen und musizieren vor Pflegeheimen. Und jeden Abend hören Menschen in ganz Deutschland um 19 Uhr auf die Kirchenglocken und singen anschließend auf ihren Balkonen, auf der Terrasse oder in ihrem Garten das Abendlied von Matthias Claudius: Der Mond ist aufgegangen.
Von einer befreundeten Familie haben wir mitbekommen, dass die Jugendlichen zusammen mit andern Jugendmitarbeiter/innen selber Karten gebastelt und von Hand beschrieben haben und diese in Tüten mit einem Apfel und Süßigkeiten vor die Haustür von über 300 Seniorinnen und Senioren gestellt haben. All diese vielen kreativen und liebevollen Zeichen der Solidarität und Verbundenheit berühren mich zutiefst.
Ein Zeichen ist selbst bei größter räumlicher Distanz möglich:
Das Gebet.
Vielleicht haben Sie es ja schon selber einmal in einer Krise erlebt, wie gut es tut, wenn andere für einen beten. Tun wir es doch umgekehrt jetzt auch und beten wir für unsere nahen und fernen Nächsten.
Und wenn Sie sich selbst einsam und verlassen fühlen, dann scheuen Sie sich nicht, Freunde und Verwandte, Nachbarn und Bekannte, Gemeindeglieder oder uns Pfarrer/innen anzurufen.
Und seien Sie gewiss:
Der, der für uns draußen vor dem Tor gottverlassen starb, der ist ganz nah bei uns – auch in unsrer Einsamkeit.
Und wenn wir Abschied nehmen müssen von geliebten Menschen, dann gilt uns die Verheißung aus dem Hebräerbrief:
„Wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünftige suchen wir.“
Lied: Holz auf Jesu Schulter (Ev. Gesangbuch, Nr. 97)
Holz auf Jesu Schulter, von der Welt verflucht,
ward zum Baum des Lebens und bringt gute Frucht.
Wollen wir Gott bitten, dass auf unsrer Fahrt
Friede unsre Herzen und die Welt bewahrt.
Denn die Erde klagt uns an bei Tag und Nacht.
Doch der Himmel sagt uns: Alles ist vollbracht!
Wollen wir Gott loben, leben aus dem Licht.
Streng ist seine Güte, gnädig sein Gericht.
Denn die Erde jagt uns auf den Abgrund zu.
Doch der Himmel fragt uns: Warum zweifelst du?
Hart auf deiner Schulter lag das Kreuz, o Herr,
ward zum Baum des Lebens, ist von Früchten schwer.
Kyrie eleison, sieh, wohin wir gehn.
Ruf uns aus den Toten, lass uns auferstehn.
Gebet von Dietrich Bonhoeffer:
Herr Jesus Christus, du warst arm und elend,
gefangen und verlassen wie ich.
Du kennst alle Not der Menschen,
du bleibst bei mir, wenn kein Mensch mir beisteht,
du vergisst mich nicht und suchst mich.
Amen
Ich wünsche Ihnen alles Gute und Gottes Segen.
Ihr Pfarrer Burkhard Frauer